Preisgestaltung für EVU

Entsprechend dem Versorgungsauftrag ist die Preisgestaltung für Energieversorgungsunternehmen (EVU) kein Marketinginstrument, sondern hat den primären Zweck, die richtigen Anreize zu schaffen und die Kosten verursachergerecht und nach vollziehbaren Kriterien auf die Kunden zu verteilen.

Typische Anlagen eines elektrischen Versorgungsnetzes haben eine Lebensdauer von 40 Jahren und mehr – die Investitionen in Bau und Ersatz dieser Anlagen ist der grösste Kostenblock eines Verteilnetzbetreibers. Der Leistungspreis (CHF/kW) für Grossverbraucher ist ein typisches Anreizsystem, um die Netzbelastung und den Bedarf für den Netzausbau stabil zu halten. Mit dem Wandel von einer rein zentralen zur vermehrt dezentralen Versorgung und der Elektrifizierung von Mobilität und Wärmeerzeugung zur Reduktion der CO2 Emissionen nimmt die Komplexität im Versorgungsnetz zu. Die Preisgestaltung muss Schritt halten, um der neuen Komplexität Rechnung zu tragen.

Mit der Marktöffnung werden neue Akteure nach ihren Bedürfnissen Anreize schaffen ohne Beachtung der lokalen physikalischen Last-Situation, zum Beispiel Lademanagement optimiert auf tiefe Strompreise und CO2 Emissionen. Für die Netzbetreiber besteht die Herausforderung, in diesem Umfeld aktiv und als Ermöglicher aufzutreten, ohne die technischen Randbedingungen im Netz und die Kosten aus dem Blick zu verlieren.

Preisgestaltung von der alten in die neue Welt

Die aktuelle Preisgestaltung ist noch stark von Strukturen der 80er und 90er Jahre beeinflusst mit zentraler Produktion ohne Trennung von Energiepreisen und Netznutzungsentgelt. Mit dem Hoch- und Niedertarif (Tag- und Nachttarif) wurden attraktive Preise geschaffen für den Nachstrom. Das Verteilnetz war damit konstanter ausgelastet und der Ausbaubedarf durch den zunehmenden Stromverbrauch reduziert. Ein weiterer Treiber dafür war die sogenannte Bandenergie aus den kontinuierlich produzierenden Kraftwerken (Flusswasser-, Atom- und Kohlekraftwerke).

Bandenergie aus Kohle- und Atomkraft wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmend durch dezentrale Stromproduktion mit stochastischem Einspeisungsprofil ersetzt (vor allem Photovoltaik-Erzeugungsanlagen). Der Leistungsausgleich zwischen Produktion und Verbrauch muss in Zukunft zu einem wesentlichen Teil lokal erfolgen, um einen teuren Ausbau der Verteilnetze zu verhindern. Die Steuerung von Speicher- und Erzeugungskapazitäten sowie der Lasten kann das Belastungsprofil im Netz ausgleichen und Spannungsanhebungen durch Photovoltaik-Erzeugungsanlagen begrenzen.

Beispielsweise stehen Elektrofahrzeuge als steuerbare Lasten und längerfristig als netzdienliche Speicher mit der entsprechenden finanziellen Entschädigung zur Verfügung. Gleichzeitig kann ein finanzieller Anreiz für alle Kunden geschaffen werden, den Energiebezug zeitlich auf die neuen Parameter zu optimieren. Der Wandel von der alten in die neue Welt vollzieht sich über Jahrzehnte – die Anpassungen in den verschiedenen Bereichen wie Preisgestaltung oder Netzkonzeption müssen in sorgfältig geplanten, regulierungskonformen und kundenfreundlich Teilschritten erfolgen.

Ziele, Anreize und Effekte

Eine wesentliche Verbesserung der Netzbelastung und Spannungsqualität an den kritischen Netzknoten und eine Reduktion des Ausbaubedarf im Netz kann durch ein optimiertes Bezugsverhalten erreicht werden. Die entsprechenden Anreize durch die Preisgestaltung können jedoch auch ungenügende, falsche oder zu starke Effekte erzielen. Zudem muss die Preisgestaltung kundenfreundlich, regulierungskonform und kostendeckend bleiben. Diese Ziele zu vereinbaren wird eine Herausforderung für die Verteilnetzbetreiber.

Haushaltskunden teilen die Netzinfrastruktur mit vielen andern Kunden – die Lastspitzen verteilen sich durch das unterschiedliche Nutzungsverhalten der Verbraucher. Die durch das stochastische Bezugsprofils bereits geglättete Leistung kann mit Anreizen zum ausgeglichenen Leistungsbezug beim einzelnen Kunden wesentlich weniger beeinflusst werden als bei Grossverbrauchern. Dies wird sich mit der zunehmenden Verbreitung der Elektromobilität ändern – der Niedertarif / Nachttarif kann zu einem falschen beziehungsweise zu starken Anreiz führen, da in der Tendenz alle Elektrofahrzeug beim Start des Niedertarifs die Ladung starten und eine Leistungsspitze verursachen (vgl. Lastentwicklung Elektromobilität im Quartier)

Der Zeitpunkt des Leistungsbezugs kann nach 3 Hauptzielen optimiert werden:

  • kostengünstigster Energiepreis (Marktpreis)
  • nach Netzbelastung und Spannungsqualität im Verteilnetzes pro Netzknoten
  • umweltfreundlichste Energieproduktion (in erster Linie niedrige CO2 Emissionen)

Nicht selten sind diese Ziele konkurrenzierend. Den Kunden eine Gesamtlösung für diese 3 Ziele anzubieten kann für Verteilnetzbetreiber ein wesentlicher Vorteil sein. Die Komplexität für den Kunden wird reduziert und die Wahrscheinlichkeit von kritischen Situationen im Netz durch Anreize von Energielösungen Dritter wird reduziert.

Vor allem das Thema der Bevorzugung einer umweltfreundlichen Energieproduktion wird in Zukunft eine stärkere Beachtung erhalten – nicht nur die Förderung der erneuerbaren Energieproduktion mit Herkunftsnachweisen, sondern den Leistungsbezugs zum Zeitpunkt, wenn physikalisch genügend Elektrizität aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht.

CO2 Emissionen Schweiz im Tagesverlauf pro Quartal 2015

Eine Analyse der im Jahr 2015 konsumierten Elektrizität in der Schweiz aus inländischem und importiertem Strom zeigt auf, dass vor allem im Winter der Nachtstrom höhere CO2 Emissionen verursacht hat. Der Treiber ist der aus Deutschland importierte Strom, der zu einem grossen Teil aus den kontinuierlich produzierenden Kohlekraftwerken mit den höchsten CO2 Emissionen stammten. Bei einem hohen Leistungsbezug während dem Tag wurden zusätzlich die flexiblen Kraftwerke mit wesentlich tieferen CO2 Emissionen eingesetzt.

Die Förderung eines konstanten Leistungsbezugs während der Nacht wirkte somit dem sogenannten “Fuel Switch” entgegen (Einsatz der im Betrieb teureren, aber klimafreundlicheren Gaskombikraftwerke anstelle der Kohlekraftwerke). Was in diesem Fall der Netzbelastung und der Versorgungssicherheit diente, schadete dem Klima. Lokale Speicherkapazitäten mit entsprechender Preisstruktur in den Wahltarifen zu fördern und wo sinnvoll selbst zu betreiben wird zunehmend ein Teil der Lösung sein. Damit können Spitzen in lokaler Ein- und Ausspeisung gebrochen und die CO2 Emissionen durch den Bezug von lokaler erneuerbarer Energie gesenkt werden.

Preisstrategien entwickeln

Um die verschiedenen Lösungskomponenten zu einem Kosten-Nutzen Gesamtoptimum für den Kunden abzustimmen, müssen Preisstrategien aus einer Gesamtstrategie abgeleitet werden. Diese Gesamtstrategie soll möglichst alle relevanten Kriterien berücksichtigen, wie aktuelle und zukünftige Netzbelastung, technische Situation im Netz und technologische Entwicklung. Simulation relevanter Parameter wie zukünftiger Netzbelastung, Erneuerungsbedarf und resultierende Kostenentwicklung helfen, die Preisgestaltung zielgerichtet einzusetzen. Die zur Verfügung stehende Mess- und Steuerinfrastruktur ist eine entscheidende Randbedingung (Rollout Smartmetering).

Anreizstruktur im Basis- und Wahltarif

Die Herausforderung besteht darin, innerhalb der Preisstruktur die nötigen Anreize für einen netzdienlichen Energiebezug zu erzeugen – für Kunden mit einem Verbrauchsprofil mit Optimierungspotential muss eine genügend grosse Kostendifferenz erzeugt werden. Diese Kostendifferenz kann mit Malus- und/oder Bonus-Elementen erzeugt werden – den grössten Effekt hat die Kombination von beiden Element.

Innerhalb des Basistarifs (Standard für Kunden bis 50MWh Jahresverbrauch) kann ein Anreiz für netzdienliches Konsumverhalten zum Beispiel mit einem Leistungstarif geschaffen werden. Dieses Malus-Element verstärkt den Anreiz, in den Wahltarif zu wechseln, der beispielsweise netzdienliche Steuerung von flexiblen Verbrauchern wie Elektrofahrzeugen beinhaltet und dafür eine Preisreduktion bietet (Bonus-Element).Wenn die entsprechende Messinfrastruktur für die Leistungsmessung noch nicht flächendeckend vorhanden ist, kann es trotzdem Sinn machen, netzdienliche Wahltarife vor den Leistungstarifen einführen, um damit Erfahrung zu sammeln, um später mit den Leistungstarif zusätzliche Anreize für den Wechsel in den Wahltarif zu schaffen.

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